Mittwoch, 27. April 2016

erste Ernüchterung

"Das Wetter kann sich ja noch ändern"....
Mit diesem Satz hatte ich mich Tag für Tag getröstet, bis der Abreisetermin immer näher rückte.

Als die Prognosen für die nächtlichen Temperaturen in Le Puy-en-Velay - der ersten Station meiner Wandertour - aber auch 5 Tage vor meiner Abreise weiterhin unter dem Gefrierpunkt lagen, strich ich zähneknirschend die Segel. Hatte ich doch die letzten Tage fast ausschließlich mit inneren Dialogen verbracht, in denen mein Rücken, meine empfindlichen Nebenhöhlen, meine ewig kalten Füße und Hände heftig mit meinem Dickkopf stritten.

Mühsam packte ich meine lang vergessenen Französischbrocken aus und schrieb dem Campingplatz, auf dem ich eigentlich zwei Nächte verbringen wollte, eine Absage, und buchte dann bequem über das Internet eine einfache Unterkunft in dem kleinen Städtchen.
Auch die mühevolle Vorplanung der Etappen, die ich in erster Linie an Campingplätzen orientiert hatte, konnte ich eigentlich den Hasen geben. Ich war mit meiner Vorbereitung also wieder bei Stunde Null angelangt - und beschloss es auch dabei zu lassen. Die einzelnen Tage würden zeigen müssen, welche Streckenlängen und Unterkünfte meiner körperlichen Verfassung genehm wären.

Damit endet hier auch meine schreiberische Voretappe und der Blog wird sich in wenigen Tagen in einen Reiseblog verwandeln, der davon berichten wird, wie sich meine alten Knochen zu Fuß und zu Rad schlagen werden....
... und natürlich auch, von allem Schönen und Aufregenden, was diese Reisen mit sich bringen werden.


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Dienstag, 26. April 2016

Grübelphase

Da saß ich nun.... das I-Phone mit der Wettervorhersage für die nächsten 16 Tage wurde zum Suchtobjekt.
Mehrmals täglich rief ich wetter.com auf - und sank mit einem verzweifelten Stöhnen wieder in die Sofakissen. Die Kälte hat Europa fest im Griff.... Tiefausläufer mit netten Namen wie UTA (eine meiner besten Freundinnen heißt so) bescheren uns Frost und Schnee für Ende April....

Eigentlich wollte ich das neue Zelt bei einer Freundin im Garten mal probehalber aufschlagen - frau will sich ja schließlich nicht auf dem Campingplatz blamieren, sondern mit lässigen, gezielten Bewegungen den Quickhiker auch innerhalb von wenigen Minuten aufbauen - und ebenso mal probehalber darin nächtigen. Wann habe ich das letzte Mal auf einer Isomatte geschlafen... ich kann mich nicht erinnern.
Das Wetter machte mir einen Strich durch die Rechnung. Also entschloss ich mich dazu, das Zelt im Wohnzimmer aufzubauen. Abgesehen vom rutschigen Parkettboden erschwerte Kater Ludwig den Aufbau, da raschelnde Zeltplanen und -schnüre einen hervorragenden Katerspielplatz hergeben.

Stolz wie Oskar saß ich dann in meinem Zelt und träumte von lauen Maiabenden und Lagerfeuerromantik......


... bis mich der Blick aus dem Fenster und auf wetter.com wieder auf den Boden zurückholten.
Es wurde Abend und so kalt, dass ich mich entschloss den Kamin anzuwerfen...

Einige Stunden später wälzte ich mich grübelnd im Bett hin und her. "Wie warm ist es in meinem Schlafsack?"... "Wie schläft es sich auf der Isomatte?"...
Nachts um drei stand ich dann auf, zerrte die Isomatte und den Schlafsack aus dem Rucksack und schlug mein Lager auf dem Balkon auf.....
"Gar nicht so unbequem die Matte".... "Eigentlich ganz warm der Schlafsack".... "Hmmm, ich glaub ich brauch ein Kissen".... "Ich probier das mal mit der Jacke unterm Kopf"... "Ohhh, das rutscht ja hin und her, da kann man ja nicht schlafen"...
Schließlich holte ich mir ein kleines Sofakissen, und war so leidlich zufrieden, bis die BSR-Straßenreinigung ein lautes Getöse veranstaltete und mir erlaubte, das Experiment guten Gewissens abzubrechen. Bei dem Lärm kann man ja nicht schlafen!
Also nahm ich den Schlafsack mit dem Sofakissen mit ins Bett und schlief darin den Rest der Nacht sehr gemütlich - auf meiner weichen Matratze...
... Der Optimismus bahnte sich - wenn auch etwas mühsamer - am nächsten Morgen wieder seinen Weg. Auch wenn mir der Blick in den Spiegel ein etwas gestresstes und übernächtigtes Gesicht zeigte und meine Schultergelenke durch die enge Schlafhaltung im Mumienschlafsack schmerzten. Nachdem ich mir meinen Kaffee auf dem Campingkocher auf dem Balkon gekocht, mir trotz vorsichtigem Nippen an der Alutasse die Lippen verbrannt hatte und zitternd im kalten Morgenwind stand, beschloss er allerdings erstmal eine Pause zu machen... "Du bist bekloppt, du bist zu alt für  solche Sachen", sagte der Optimismus noch, bevor er meine Wohnung verließ....

Wenn der Kopf was anderes sagt als der Spiegel

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Vorbereitung

Der erste Probelauf hinsichtlich Alleinereisen und spartanischen Verhältnissen war also erfolgreich und machte Mut zu mehr...

Ich wurde des Wahnsins fette Beute und schnell standen die nächsten beiden Reisen fest:
Zwei Wochen wandern auf dem Stevenson Weg im französischen Zentralmassiv 
Sechseinhalb Wochen mit dem Fahrrad durch Irland

Ebenso schnell waren die Zug- und Flugtickets gebucht, Rad- und Wanderführer gekauft und begeistert deckte ich mich beim neu eröffneten Decathlon in Berlin Schöneweide mit allem ein, was man so braucht, wenn man wochenlang nur mit dem Nötigsten unterwegs ist.


Ungeduldig scharrte ich mit den Hufen für die ersten Testläufe mit Rucksack und Fahrrad im April....Es hätte alles so schön sein können - wenn denn wenigstens der April auch schön gewesen wäre. Nix da, kalt wars, feucht wars... und anstelle von "Raus aus der Comfortzone" entschied ich mich für "Rauf aufs Sofa" und verschob das Ausprobieren auf "dann wenns wieder schöner wird".

Es wurde nicht besser und wird auch bis Reiseantritt nicht besser....

Aber so ganz ungetestet konnte ich den Kram ja auch nicht lassen. Zumindest mal Probepacken dachte ich mir.  Als erstes war der Rucksack dran. Mit "Worst-Case-Szenario" - also bei der Idee von Superwetter und wenig Klamotten am Körper und ein bisschen Essen und Trinken im Rucksack - kam ich auf stolze 13 Kilo.
Kein Vergleich zu dem, was wir früher bei Wandertouren auf dem Buckel getragen haben. Schließlich waren weder die Rucksäcke noch die Zelte und Schlafsäcke solche Leichtgewichte, wie sie es heute sind. Und Multifunktionsklamotten kannten wir damals noch gar nicht. Eingepackt wurde das, was wir auch sonst trugen.
Nach den ersten fünf Minuten, in denen ich probeweise in meiner Wohnung auf und ab taperte, begannen meinen Schultern zu schmerzen. Fünf Minuten später hatte ich den Eindruck, dass sich mein Bandscheibenvorfall von vor zwei Jahren energisch über die Traglast beschwerte...

"Das trainiert sich von alleine, wenn man mal ein paar Tage unterwegs ist", sagte ich laut und energisch zu mir, setzte stöhnend die Last ab und fröhnte dem Optimismus.
Da das Wetter gerade mal ein bisschen Sonne hergab, beschloss ich den Rest des Tages mit dem Einlaufen der neuen Wanderstiefel zu verbringen.
Zuversichtlich stapfte ich los in Richtung Treptower Park und dann immer weiter an der Spree entlang. Nach eineinhalb Stunden konnte ich das hässliche Brennen an der Ferse nicht mehr ignorieren und entschloss mich zur Rückkehr. Eine Stunde später bewegte ich mich nur noch hinkend und mit zusammengebissenen Zähnen voran und zählte die Schritte bis zu meiner Wohnung. Neben der dicken Blase, die sich gebildet hatte, schickte mittlerweile auch mein linkes Zehengelenk laute Schmerzensschreie....
Nach dem Gang zur Apotheke und dem Rat des Apothekers, den Fuß zwei Tage zu schonen, verbrachte ich den Abend erschöpft und mit beginnendem Muskelkater mit Kyttasalbe und dem "Rauf aufs Sofa"-Programm

Zwei Tage später war auch alles wieder gut und der Optimismus hatte mich wieder: Mal sehen, ob auch alles in die Fahrradpacktaschen passt!
Das etwas spöttische "Na, allzuviel sind Sie mit dem Fahrrad ja noch nicht gefahren!" des jungen Mannes vom Fahrradladen, in dem ich mir letzten Herbst ein neues Tourenrad gekauft hatte, beim Montieren der Lowrider für die vorderen Gepäcktaschen, versuchte ich zu überhören. Etwas härter kam mich das beständige "Sie" an, obwohl hier in Kreuzberg auch bei älteren Semestern das "Du" doch zum guten Ton gehört - das sind die Momente, wo man sich richtig alt fühlt!
Das Packen der Fahrradtaschen erwies sich als wesentlich unproblematischer, da war dann doch noch eine Menge Platz. Aber um bei der Wahrheit zu bleiben - gefahren bin ich mit dem ganzen Gepäck noch nicht.... es bleibt bis zum Tourenstart vermutlich beim Optimismus.... das wird schon....

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Die ersten Schritte

Neben den ganzen Falten, den Hitzewallungen, dem Rücken und all den anderen unangenehmeren Begleiterscheinungen des Älterwerdens, musste ich in den letzten Jahren auch zunehmend feststellen, dass in mein Leben eine gewisse Bequemlichkeit und Langeweile eingekehrt war. Aus dieser Unzufriedenheit mit dem Äußeren und Inneren erwuchs in mir ein kühner Plan: Aussteigen - zumindest mal für kurze Zeit. Da ich keine Kinder habe und seit deinem dreiviertel Jahr Single bin, gab es auch niemand, der diesem Plan irgendwelche Bedenken entgegengesetzt hätte.

Gedacht - getan! Während mein Arbeitgeber, nachdem er meinem Wunsch nach einem Sabatical zugestimmt hatte, auf der Suche nach einer Vertretung für mich war, machte ich mich auf die Suche nach dem Abenteuer, dem Kick in the Ass, dem ultimativen Höhenflug.

Oberste Maxime für die geplanten Reisen: RAUS AUS DER COMFORTZONE!
Was im Grunde soviel heißt wie: Reisen wie vor 25 Jahren.

Nicht dass ich je der Typ für Pauschalurlaub gewesen wäre....
Ich erinnere mich nur ungern an meine wenigen Versuche mit dieser Reisesparte. Vier Dinge sind mir dabei nachdrücklich im Gedächtnis geblieben: labberige Hühnchenschenkel auf gekochten Erbsen, löslicher Kaffee zum Frühstück, gequält-fröhliche Kinderanimateure, die die Rasselbande immer rund um den Pool bespaßen, an dem ich eigentlich meinen Partykater ausdösen wollte, klebrigsüßewiederlichschmeckende Begrüßungscocktails, zu denen einem der Reiseveranstalter vor Ort gleich noch eine Tour ins Teppichland oder sonst einen Basar verkaufen will....

Aber auch wenn ich seither nachdrücklich auf meinem Status als Individualreisender bestehe,  beeinhalteten diese Reisen in den letzten 15 Jahren eigentlich immer einen bequemen Flug mit Mietwagen am Flughafen und ein Ferienhaus mit Charme und Sat-TV (letzteres war allerdings meinem Ex geschuldet, dem ein Leben ohne Formel1 und MotoGP wie die Vorhölle erscheint).

Station 1 waren 12 Tage auf Zypern. Airbnb verschaffte mir die perfekte Unterkunft für die ersten Schritte. Eine verlassene Sommerferiensiedlung - schließlich war es ja erst Februar - optisch so zwischen Laubenkolonie und Campingplatz.

Der Strom kam zwar aus der Steckdose, aber nur solange die Solarpanele noch etwas gespeichert hatten. Das warme Wasser zum Waschen und Duschen kam vom Herd. Außer dem Rauschen der Wellen und dem Licht der Sterne hatten die Tage und Abende für mich als Single lediglich noch zwei Katzen zu bieten, die aber weniger an meiner Gesellschaft interessiert waren, als dem Futter, das ich für sie bereithielt.


Und statt Mietwagen gabs ein rostiges MB und die spärlichen Kleinbusse, die mich nach einem halbstündigen Fußmarsch und einer Stunde Fahrt aus meiner Abgeschiedenheit dann in die große Stadt Larnaka brachten, von wo große Überlandbusse auch andere Städte anfuhren.

Ok, ich muss zugeben, dass ich nicht so viel von der Insel gesehen habe, wie auf meiner To-Do-Liste stand. Aber ich kam zurück mit einem Strahlen im Gesicht. Und zum ersten Mal seit langer Zeit hatte ich beim Blick in den Spiegel nicht mehr das Gefühl, dass die Person, die mir aus dem Spiegel entgegenblickt nicht mindestens 20 Jahre älter ist, als die, die in meinem Kopf lebt.....


Wenn der Kopf was anderes sagt als der Spiegel







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Über das Älterwerden



Älter werden - also so als Frau - ist doch eigentlich nicht schlimm. Immerhin geht es ja den Männern auch nicht anders, ich werde älter, die werden älter, wir werden gemeinsam älter - oder eben auch nicht....
Und man muss sich als Frau um die 50 ja auch nicht in die peinlichen Niederungen eines Toyboy-Verhältnisses â la Madonna hinabbegeben. Man kann ja auch in seiner Altersklasse wildern, denn es gibt eine Menge interessanter Männer so um die 50.
Frau muss nur mal Mittags in einen Supermarkt gehen. Da stehen sie dann an der Kasse, mit Biomilch und Minisnackgemüse - für die kleinen Knirpse, die quietschend um sie herumwuseln und Überraschungseier und Gummidropsrollen aus den Quengelregalen ziehen. Überflüssig zu sagen, dass der kleine Benjamin oder die kleine Lea nicht die Enkelkinder der sexy graubeschläften Typen in ihren berufsjugendlichen Outfits sind - auch wenn es eigentlich von Mutter Natur eher so vorgesehen wäre. Während der knackige Mittfünfziger seine Elternzeit genießt, damit seine Neue, dank der er sich endlich wieder so jung fühlt, wie er es sich schon seit 20 Jahren sehnlichst gewünscht hat, mit Anfang Dreißig nicht in die Karriereknickfalle tappt, sieht das Leben der alten Lebensgefährtin - ebenso um die 50 - meist anders aus. 


Frau schaut morgens in den Spiegel und überlegt angesichts des verknitterten Dekoletés und der deutlich sichtbaren Schlaffalten, ob sie von den Unterhaltszahlungen für die beiden luxusverwöhnten Heranwachsenden nicht etwas für Hyaluronunterspritzungen oder dieses so hochgepriesenen Rückenschlafkissen zur Faltenvermeidung abknapsen kann. Iris Berben hat auch so eins und sieht mit Mitte 60 deutlich jünger aus, als das, was ihr gerade entgegenblickt. Ok, natürlich war da bestimmt auch die Visagistin mal mit ihrem Pinsel drüber - über der Iris ihrem Gesicht - und vielleicht auch der Grafiker mit seinem Photoshop. Aber weiß man's wirklich?
Ihr Ehemaliger steht zur gleichen Zeit vermutlich mit ebensolchen Altersspuren vor dem Spiegel. Aber während er noch vor fünf Jahren heimlich in den Lift-Activ-Tiegel seiner Frau gegriffen hat und danach mit kritischem Blick den immer weiter zurückweichenden Haaransatz untersucht hat, fühlt er sich heute wie ein junger Gott, dem das "Ja mein Hengst, du machst es mir ja so gut!" der letzten Nacht noch in den Ohren klingt. Vergessen sind die anschließende Atemnot, das verzweifelte Ringen nach Luft und die Herzrhythmusstörungen. Und auch die Angst, beim dritten Mal vielleicht doch keinen dauerhaften Ständer zu bekommen und einen Orgasmus simulieren zu müssen. Der Hengst wirft seinem Spiegelbild ein zufriedenes "Yes, Baby!" zu und macht sich dann auf die Suche nach Klein-Benji/Freddy/Tommy oder Lealein um sich den Vormittag mit Bananenbrei und Kinderspielplatz zu versüßen....


Nein, ich habe keine zwei luxusverwöhnten Heranwachsenden - aber für den Rest der Geschichte würde ich meine Hand ins Feuer legen.

Wer Lust hat mich dabei zu begleiten, wie ich dem Älterwerden mit mehr oder weniger Erfolg - aber hoffentlich inmer mit einem Augenzwinkern - begegne, darf das gerne tun...

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